Preisbildung am Mineralölmarkt

Die allgemeine Preisbildung bei Mineralölprodukten ist, entgegen der landläufigen Meinung, eine äußerst komplexe Angelegenheit und wird von einer Vielzahl externer und schwer kalkulierbarer Faktoren beeinflusst. Eine Besonderheit sind dabei insbesondere die enormen Unterschiede zwischen Brutto- und Nettopreis, da mehr als 70% des heutigen Tankstellenpreises durch Steuern und Abgaben verursacht werden. Dennoch, auch unabhängig von direkten staatlichen Eingriffen in die Preisgestaltung bleibt eine ökonomische Preisbildung bei Mineralölprodukten auch vor dem Hintergrund weiterer Faktoren eine schwierige Angelegenheit.


Historische Entwicklung

Bei einer historischen Betrachtung der Mineralölpreisbildung ist es zunächst wichtig zu beachten, dass sich ein Großteil der weltweit bekannten Ölvorkommen im Besitz der jeweiligen Förderländer befindet und nur in wenigen Fällen bekannten Ölkonzernen wie beispielsweise Exxon, Shell oder BP gehört. Die Ölindustrie steht seit jeher vor dem großen Problem einen Ausgleich zwischen Angebot – der Produktion in den Förderländern – und Nachfrage – dem Vertrieb in den Industrieländern – herzustellen, damit die Rohölpreise mittelfristig stabil und für alle Beteiligten kalkulierbar bleiben. In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele von Ölschwemmen, starken Preisschwankungen und extremsten Preisstürzen – so fiel der Fasspreis 1929 mit knapp 10 Cent beispielsweise unter denjenigen von normalem Trinkwasser. Es gab und gibt deshalb immer wieder Versuche, sowohl von der Erzeugerseite, als auch von der Vertriebsseite, den Preis über kartellartige Absprachen künstlich zu stabilisieren. Bereits vor hundert Jahren standen Unternehmen darüber hinaus vor dem Problem einen „gerechten“ Preis für einen in der Natur in unterschiedlichen Qualitäten vorkommenden Rohstoff zu finden, welcher darüber hinaus noch unter zum Teil sehr unterschiedlichen Bedingungen und Kosten gefördert werden musste. Dasselbe Problem übrigens, welches in der aktuellen Diskussion über die Liberalisierung des deutschen Gasmarktes als eines der Hauptargumente einiger Gasmonopolisten gegen den freien Gashandel auf Basis einheitlicher Preise ins Feld geführt wird.


Die OPEC

Die Gründung des OPEC Kartells, einem Zusammenschluss verschiedener Erdölfördernder Länder, im Jahre 1960 geht letztlich auf dieses Vorhaben, eine Preisstabilisierung im Sinne der Erzeugerländer zu erreichen, zurück. Mit der ersten Ölkrise zwischen 1979 und 1983 sahen sich jedoch eine Reihe von Förderstaaten gezwungen den staatlichen Ölverkauf in Eigenregie wieder anzukurbeln und führten den Rohölverkauf zu so genannten „Net-Back“ Bedingungen ein. Dabei erhält der Rohölverkäufer vom Raffineriebetreiber exakt den Preis den dieser, nach Abzug einer Raffinerie- und Logistikmarge, im Endkundengeschäft für das Produkt erzielen konnte. Da dem Raffineriebetreiber durch dieses Verfahren jedoch faktisch jegliches Risiko genommen wurde kam es in der Folge zu einem Überangebot an raffinierten Fertigprodukten, was in der Folge wiederum zu einem starken Preiseinbruch beim Rohöl führte.

Als Gegenmaßnahme führte die OPEC deshalb jährliche Förderquoten ein, welche für jedes OPEC-Mitglied eine bestimmte jährlich zu fördernde Rohölmenge bestimmte. Ziel der OPEC war und ist es die Rohölpreise auf einem Niveau zu stabilisieren, welches den Förderstaaten einen möglichst hohen Preis garantiert ohne jedoch das Wachstum in den Verbraucherländern zu bremsen und auf diese Weise zu rückläufigen Erträgen führen würde. Auf Grund der vielfach fehlenden Disziplin einzelner OPEC-Mitgliedstaaten, jedoch auch weil neue aufstrebende Förderstaaten wie beispielsweise Russland, welche nicht der OPEC angehören, die Rohölproduktion in Eigenregie steigern, schwanken die Weltmarktpreise für heute dennoch erheblich. Technische Fortschritte bei der Exploration tragen zudem dazu bei, dass neue Vorkommen, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, erschlossen werden können. So nimmt der Anteil der OPEC-Mitgliedsstaaten an der aktuellen Weltrohölproduktion seit Jahren kontinuierlich ab. Lediglich bei der Betrachtung der Weltrohölreserven stehen die OPEC Staaten wieder unangefochten im Zentrum des Interesses, da diese knapp 70% der heute weltweit bekannten Ölreserven auf sich vereinen.


Mineralölhandel

Kauft ein Mineralölunternehmen auf Grundlage des „Net-Back-Verfahrens“ Rohöl ein, so trägt es in der Regel das Risiko von Preisänderungen zwischen dem Zeitpunkt des Rohöleinkaufs und des Produktverkaufs – also der Transport- und Produktionszeit. Das Bestreben einiger Mineralölproduzenten und –Händler sich gegen dieses Preisrisiko abzusichern führte zur in der Folge zur Entstehung des weltweiten Öltermingeschäftes. Im Terminhandel werden Röhllieferungen einer bestimmten Qualität zu einem bestimmten Preis und zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart. Da es sich dabei jedoch nicht um reale Geschäfte handelt spricht man dabei auch von „trockenem Öl“.  Durch diese virtuellen Transaktionen sichern sich Käufer und Verkäufer vor dem Risiko von Preisschwankungen – ähnlich dem Aktienoptionsscheingeschäft – ab.


Preisbestimmende Faktoren

Mittlerweile sind tagesaktuelle Rohölpreise bezogen auf die Entwicklung an den Ölterminbörsen bestimmend für die Bildung des Produktpreises. Ähnlich wie auch im normalen Aktiengeschäft wird jedoch auch das Öltermingeschäft nicht ausschließlich durch Angebot und Nachfrage, sondern ebenso durch Börsenpsychologie und zukünftige Erwartungen bestimmt. Nach einem Terroranschlag im Nahen Osten „könnte“ sich der Konflikt weiter ausweiten und der Preis für Rohöl steigt, obwohl faktisch keinerlei Veränderungen des Angebots stattgefunden haben. Auf diese Weise kann auch der alljährliche Ferieneffekt erklärt werden, wenn pünktlich vor der Urlaubszeit die Kraftstoffpreise steigen. Aufgrund der vom Terminmarkt „erwarteten“ höheren Nachfrage steigt der Preis noch bevor die Nachfrage real stattgefunden hat. Da Rohöl am Weltmarkt ausschließlich in US Dollar gehandelt wird, werden die Preise an den Terminbörsen zusätzlich stark vom jeweils aktuellen Wechselkurs beeinflusst.

Entwicklung des Benzinpreises und dessen Bestandteile in Deutschland von 1992 bis 2004. - © Volker Süßmeyer

In die Nettopreisbildung fließt deshalb kalkulatorisch ein hochvolatiler und meist tagesaktueller Produktpreis der Rotterdammer Ölterminbörse ein. Aufgeschlagen werden vom Mineralölproduzenten noch eine Raffineriemarge sowie Logistik- und Vertriebskosten. Dazu kommen eventuell noch Kosten für die Risikoabsicherung an einer Terminbörse plus eine entsprechende Gewinnmarge. Integrierte Mineralölunternehmen, also solche die sowohl Raffineriebetreiber als auch Verkäufer sind, können auf diese Weise doppelt profitieren, denn sowohl Raffinerie- und Logistikmarge, sowie die Gewinnmarge aus dem Tankstellengeschäft fallen dort an. Zusätzlich zur beschriebenen kalkulatorischen Nettopreisbildung müssen jedoch auch Markt und Wettbewerb berücksichtigt werden. So werden in der Praxis beispielsweise nicht täglich Preisänderungen an den Endkunden weitergegeben. In bestimmten Regionen mit einem Tankstellenüberangebot werden Kraftstoffpreise auf Grund der Wettbewerbssituation möglicherweise für einen gewissen Zeitraum künstlich niedrig gehalten, oder bei nachlassender Nachfrage wird zu Gunsten einer möglichst optimalen Raffinerieauslastung ein Kraftstoffüberangebot zeitlich begrenz in Kauf genommen.

Um den Bruttopreis zu bilden werden zum Nettopreis noch Mineralölsteuer, Ökosteuer, eine Abgabe für den Erdölbevorratungsverband (Pflichtnotstandbevorratung), sowie der übliche Mehrwertsteuersatz von 16% beaufschlagt. Die Mehrwertsteuer fällt in diesem Zusammenhang interessanterweise auch für die anderen genannten Steuern und Abgaben an und ist somit faktisch eine Steuer auf eine Steuer, was verfassungsrechtlich im Grunde bedenklich ist, da mit jeder Erhöhung einer Grundsteuer auch die Mehrwertsteueranteile automatisch mit erhöht werden. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer von „nur“ 5 Cent schlägt für den Verbraucher an der Tankstelle somit mit 5,8 Cent zu Buche und würde vom Mineralölunternehmen in der Praxis dann wahrscheinlich auf 6 Cent aufgerundet.


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